DAS WAHRE ÜBERLEBEN –
Seit 2007 komm ich hierher, ich kenn fast alle Leute hier. Für mich ist das wie meine Familie. Die Mitarbeiter auf jeden Fall. Die Leute halt, nicht alle.
Ich hab 14 Jahre meines Lebens verschenkt, 14 Jahre war ich im Heim, vom Kinderheim bis zum Jugendwerkhof. Ich hab immer das gemacht, was andere gesagt haben. Ich hab nie gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen, geschweige denn, mit Geld umzugehen.
Seit 10 Jahren bin ich auf der Straße. Heime, Bundeswehr und Knast, das war die Reihenfolge. Nach dem Knast hab ich gedacht, ich hab keinen Bock mehr auf ne Bude, ich bleib draußen, kann mich frei bewegen, man muss auf gut Glück hoffen, dass das Wetter so bleibt und dass man einen vernünftigen Platz findet, wo man seine Ruhe hat. Und es ist verdammt gefährlich. Mein Rollator ist weg, meine Tasche ist weg, meine Papiere sind weg.
Für einen Otto Normalverbraucher, d. h. einen, der sonst alles hat – nehmen Sie dem mal alles weg, was ihm wichtig ist, außer Frau und Kind, ich meine jetzt: Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel, und dann lassen Sie ihn mal einen Monat lang draußen, der jammert rum, nach Stunden vielleicht: Wo ist mein Handy, wo ist meine Wohnung? Und unsereins – das ist Überlebenskunst, das wahre Überleben.
(„Mütze“)